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Zan – Zendegi – Azadi | Frau – Leben – Freiheit

Mit dieser Forderung protestieren die Menschen im Iran seit Ende September 2022 gegen das Regime der Islamischen Republik. Auslöser war die Ermordung der 22‑jährigen Mahsa Amini, die wegen eines nicht korrekt getragenen Kopftuches verhaftet wurde und an den Misshandlungen während ihrer Haft verstarb.

Stoppt die Gewalt gegen Frauen Plakat einer jungen iranischen Designerin entworfen zu Beginn der Massenproteste

Mit dieser Forderung protestieren die Menschen im Iran seit Ende September 2022 gegen das Regime der Islamischen Republik. Auslöser war die Ermordung der 22‑jährigen Mahsa Amini, die wegen eines nicht korrekt getragenen Kopftuches verhaftet wurde und an den Misshandlungen während ihrer Haft verstarb.

Waren es zunächst die Forderungen nach Aufhebung des frauenfeindlichen Kopftuchzwangs sowie gegen die frauen- und menschenverachtenden Gesetze und Repressalien des Regimes, so sind die Forderungen inzwischen weitergefasst und gipfeln in der Forderung nach dem Sturz des Regimes. Was mit abendlichen Demonstrationen vor allem junger Frauen und Männer sowie mit Protesten in den Schulen und Universitäten begann, weitete sich zu Massenprotesten aus: Diese werden nicht nur von allen Gesellschaftsschichten getragen, sie finden sowohl in den Städten als auch auf dem Land statt und werden von allen Volksgruppen des Vielvölkerstaates Iran sowie den religiösen Minderheiten mitgetragen. Ein wichtiges Zentrum der Proteste bilden von Beginn an die Universitäten des Landes. Wissenschaftler:innen und Studierende protestieren täglich auf den Universitätsgeländen gegen das Regime, fordern dessen Sturz und sehen sich mit der gleichen Willkür und den gleichen Menschenrechtsverletzungen konfrontiert wie die Demonstrant:innen auf den Straßen.

Schwerbewaffnete Spezialeinheiten des Regimes gemeinsam mit zivil gekleideten Schlägertrupps sind mit Schlagstöcken, Pistolen und Gewehren, am Straßenrand, an großen Kreuzungen und Plätzen postiert und warten dort auf ihren „Einsatz“, um schnellstmöglich, mit äußerster Brutalität und unter Einsatz ihrer Bewaffnung, die Demonstrant:innen anzugreifen. Diese teilweise motorisierten Spezialeinheiten jagen die Protestierenden, verhaften, erschießen und erschlagen sie. So wurden bis zum 10. Januar laut Süddeutscher Zeitung ca. 480 zumeist junge Menschen durch das Regime ermordet. Es schreckt nicht davor zurück, bis Ende Januar 2023 mehr als 60 Minderjährige zu ermorden, wie beispielsweise die erst sechsjährige Mona Naghibi, erschossen auf ihrem Weg zur Schule oder den 10-jährigen Kiran Pirfalak, erschossen im Auto seiner Eltern.

Gleichzeitig warten 20.000 inhaftierte Demonstrant:innen auf ihre Schauprozesse. Während ihrer Haft werden sie physischer, psychischer wie auch sexueller Folter unterworfen und haben kein Recht auf einen Rechtsbeistand; ihre Familien werden bedroht und drangsaliert. Bei einem mutmaßlich vom Regime selbst gelegten Brand im Evin-Gefängnis in Teheran im Oktober vergangenen Jahres, dem berüchtigtsten Gefängnis für politische Gefangene im Iran, starben nach Angaben des Regimes lediglich acht politische Gefangene. Augenzeugen und Gefangene berichten jedoch von einer weit höheren Zahl von Getöteten. Schüsse aus dem Gefängnis während des Brandes untermauern diese Aussagen.

Laut Iran Human Rights sind derzeit 109 Demonstrant:innen entweder zum Tode verurteilt oder von Hinrichtung bedroht. (SZ, 10.01.2023) Bisher wurden vier teilweise öffentliche Hinrichtungen als Abschreckungsmaßnahme durchgeführt. Die Namen der Opfer: Mohsen Shekari, Majid Reza Rahnavard, Mohammad Hosseini (s. Abschiedsbrief am Ende des Beitrages ) und Mohammad Mehdi Karami.

In vielen Landesteilen, wie beispielsweise in den iranischen Kurdengebieten oder in Belutschistan, kommt es auch weiterhin zu einer massiven Eskalation von Gewalt seitens des Regimes: Das Regime setzt Panzer ein und verhängt Ausgangssperren. Im November 2022 wurden an einem einzigen Tag in Mahabad im iranischen Kurdengebiet 29 Menschen bei einer solchen Aktion ermordet.

Die breiten Massenproteste werden von der Mehrheit der iranischen Bevölkerung durch die verschiedensten Formen zivilen Ungehorsams unterstützt: wie beispielsweise durch das Ablegen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit durch die Frauen, die abendlichen Protestrufe von den Dächern und aus den Fenstern sowie die Hupkonzerte, sobald Autofahrer die Spezialkräften sehen. Zudem gab es im November und Dezember einen landesweiten breiten Streik von Gewerbetreibenden und Arbeiter:innen. Diese vielfältigen Formen der Unterstützung zeigen, dass sich die Mehrheit der Iraner:innen – anders als vom Regime und seinen Apologeten (auch in Deutschland) behauptet – einen Sturz des Regimes wünscht. Und nicht die Proteste sind für diese „Spaltung“ der Gesellschaft verantwortlich, sondern einzig das Regime mit seiner brutalen die Menschenrechte verachtenden und korrupten Unterdrückung in den vergangenen 43 Jahren. Während dieses Zeitraums hat die geistliche Elite jegliche politische Opposition durch Inhaftierung und Ermordung zum Schweigen gebracht oder Flucht gezwungen. Dies versucht sie nun erneut – bisher erfolglos!

Auch wenn die Massenprotest zu Beginn des Jahres 2023 nicht mehr ganz so zahlreich sind, tragen die vielen jungen Aktivist:innen im Iran auch weiterhin unter Inkaufnahme von Inhaftierung, Verletzungen und letztlich sogar Ermordung ihren Protest auf vielfältige Weise auf die Straße.

Von Beginn an wurden die Protestierenden im Iran von den im Ausland lebenden Iraner:innen unterstützt, die inzwischen eine starke und einflussreiche Kraft entwickelt haben, davon zeugen beispielsweise in Aachen die wöchentlichen Kundgebungen und Demonstrationen sowie die zahlreiche Veranstaltungen zur aktuellen Lage im Iran (siehe dazu die Veranstaltungshinweise auf der Homepage des 1WF bzw. ai oder auf den Social-Media-Kanälen, z.B. dem Kanal von „zan_zendegi_azadi_Aachen“).

Die zurzeit wichtigste Forderung neben der Aufhebung aller Todesurteile ist die Einstufung der Revolutionsgarde als terroristische Organisation durch die EU. Die Revolutionsgarde (IRGC) –1979 gegründete Schutztruppe des Islamischen Regimes – ist das wichtigste Instrument des Regimes zur tagtäglichen Verbreitung von Angst, Gewalt und Terror unter der Bevölkerung sowie gemeinsam mit anderen Unterdrückungsorganen an der brutalen Niederschlagung jeglicher Demonstrationen und Proteste beteiligt. Aufgrund ihrer täglichen Erfahrungen wird die Mehrheit der iranischen Bevölkerung die IRGC deshalb ohne Umschweife als Terrororganisation bezeichnen! Dies sah auch das EU-Parlament in der Sitzung vom 16. Januar in Straßburg so und unterstützte die Forderung nach Einstufung dieser paramilitärischen Truppe als terroristische Organisation. Der EU-Ministerrat hingegen schloss sich dieser Sichtweise zum wiederholten Mal nicht an und setzte dir Revolutionsgarde erneut nicht auf die Terrorliste.

Die Menschen in Iran ebenso wie die im Ausland lebenden Iraner:innen, deren gemeinsamer Wunsch das Ende des islamischen Regimes ist, brauchen die Unterstützung aller Menschen weltweit.

Deshalb setzt sich auch das Eine Welt Forum für folgende Forderungen ein:

  • sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen sowie aller Gewerkschafter:innen, insbesondere keine öffentlichen Schauprozesse gegen verhaftete Demonstrant:innen
  • generelle Abschaffung der Todesstrafe, insbesondere diejenige für politische Gefangene.
    Bitte Unterschreiben Sie die Petition: STOP EXECUTION OF IRANIAN PROTESTERS Change.org.
  • umgehende Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation durch die EU.
    Bitte unterstützen Sie auch hier die entsprechende Petition: Teilnehmen – Iran – Campact
  • das Recht auf freie Meinungsäußerung im Allgemeinen und im Besonderen für Studierende und Wissenschfaftler:innen im Iran. Der Campus, als ein Ort der Wissenschaft, muss einen besonderen Schutz genießen und darf nicht von den Spezialeinheiten des Regimes gestürmt werden.

die Anklage der Verantwortlichen des Regimes vor dem Internationalen Strafgerichtshof für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit


Abschiedsbrief von Mohammad Hosseini 

Mohammad Hosseini ist 39 Jahre alt geworden. Nach einem Scheinprozess wurde er am 7. Januar 2023 durch das Regime der islamischen Republik Iran wegen seiner Teilnahme an den Massenprotesten hingerichtet. Er war kein Intellektueller, er war ein Arbeiter in einer Geflügelfabrik, der ohne Eltern aufgewachsen ist. Als Karatelehrer unterrichtete er mittellose Kinder, kostenlos, in seiner wenigen Freizeit. Der mit seinem Geld seinen drogensüchtigen Bruder mitversorgte.

„Salam an alle Menschen der Welt, ich bin Mohammad Hosseini, ein Gefangener in einem der gefürchteten Gefängnisse der iranischen Regierung. Ein Mann, der niemanden hatte – keine Mutter, keinen Vater oder Familie – jedoch ein Freund aller Güter dieser Welt war.

Nach Tagen und Nächten des Widerstands unter schwerer Folter zwangen sie mich, die Lüge zu gestehen, die sie wollten und das Verbrechen zu bekennen, das ich nicht begangen hatte. In der Dämmerung des morgigen Tages, am Fuße des Galgens, werde ich ein letztes Mal gen Himmel blicken, den letzten Stern sehen und mit meiner ganzen Kraft ,Zan, Zendegi, Azadi‘ rufen – ;Frau, Leben, Freiheit‘.

Ich werde schreien im Namen der Gerechtigkeit und in der Hoffnung auf eine Welt ohne Gewalt. Eine Welt, die die Natur liebt und die für alle Kinder der Welt sicher ist. Für mich der sein ganzes Leben lang zutiefst einsam war, in einem Land, in dem arbeitende Kinder keine Gerechtigkeit erfahren haben, ist mein einziger Wunsch, dass die Welt ein Ort ist, an dem alle Kinder Kinder sein können, und dass sie die Liebe zum Menschen und der Natur verinnerlichen und alle Geschöpfe dieses schönen Daseins lieben. Und für diese Liebe, die alles ist, was ich nach diesem kurzen, schmerzhaften Leben noch besitze, schrie ich auf den Straßen, um an der Seite der Studenten meines Landes zu stehen, die unter Schlagstöcken und Kriegsgeschossen  ´Zan, Zendegi, Azadi´ riefen. Kinder, die jahrelang dazu gezwungen wurden und nichts anderes konnten, als der ganzen Welt den Tod zu wünschen, diese Kinder, die aber jetzt die Botschafter der Liebe, der Güte, der Freiheit und der Gleichheit für alle Menschen sind, mit der Sehnsucht nach Frieden, nach einer gewaltfreien Heimat und Welt.“