Kontrolle statt Freiheit – Russlands Verhältnis zu den Menschenrechten
Veranstalter: Amnesty International Aachen, Asylgruppe Aachen, Evangelische Stadtakademie Aachen, Bistum Aachen (Büro der Dekane), Eine Welt Forum
Wenn über die Lage der Menschenrechte in Russland gesprochen wird, geschieht dies meist aus zwei Perspektiven. In der einen Hinsicht wird die gegenwärtige Situation analysiert einschließlich des Aspekts, ob sich die Lage in den letzten Jahren verbessert oder verschlechtert habe. In der anderen Hinsicht erscheint die Menschenrechtslage eingebettet in übergeordnete historische Kontexte. Sie wird dann z.B. bezogen auf die Eigenständigkeit und Andersartigkeit der russischen Kultur, die sich auch in einem Verständnis der Rolle des Staates spiegelt, das sich von westlichen Traditionen und Maßstäben deutlich unterscheidet.
Beide Perspektiven stehen in Spannung zueinander. Wegen ihrer unterschiedlichen Ansätze widersprechen sie sich aber nicht grundsätzlich. Sie können sich sinnvoll ergänzen: zu einem Bild, das die Lage und den Status der Menschenrechte in Russland differenziert zeigt.
Im Hinblick auf die Analyse charakterisieren dunkle Farbtöne das Bild. Beobachter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Amnesty International registrieren, dass der russische Staat die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft immer stärker beschneidet. So wurden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2017 weiter eingeschränkt. Religiöse Minderheiten erfahren ebenso gezielte Diskriminierungen wie Homosexuelle.
Polizei und Justiz unterstützen die repressiven Maßnahmen z.B. durch willkürliche Verhaftungen von Passanten und Journalisten bei friedlichen Demonstrationen und sich anschließenden unfairen Prozessen. NGOs, die diese Praxis und generell die staatlich gesteuerten Verletzungen der Menschenrechte kritisieren, werden ihrerseits eingeschüchtert und in ihrer Arbeit bis hin zu systematischer juristischer Verfolgung massiv behindert.
In historischer Perspektive wird oft betont, dass in Russland von der Zarenzeit über die Sowjetunion bis zur heutigen förderalen Republik keine demokratischen Traditionen nach westlichem Muster existierten; entsprechend gebe es in der Bevölkerung Russlands ein anderes Verständnis von Menschenrechten.
Die Russen bejahten mehrheitlich einen väterlich-starken Staat, der ihnen vor allem soziale Sicherheit biete: Arbeit, Wohnung, Essen, Heizung würden eher mit der Vorstellung von Menschenrechten verbunden als politische Freiheitsrechte.
Vor diesen Hintergründen wollen wir Fragen wie die folgenden erörtern: Wie stellt sich die Lage der Menschenrechte in Russland aktuell dar? Welche Möglichkeiten sehen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, weite Teile der Bevölkerung vom Nutzen ihrer Arbeit für sie zu überzeugen? Wie lautet die Prognose für ‚Russland 2028’: Kann es eine gestärkte Zivilgesellschaft geben? Oder wird das Narrativ von der moralischen Überlegenheit Russlands im Vergleich zum westlichen Individualismus und Materialismus die Gesellschaft auch nach der Präsidentschaft Putins prägen?
Im Anschluss an die Veranstaltung laden wir zum Austausch bei einem kleinen Imbiss herzlich ein.
Referent: Peter Franck
Sprecher der Russland-Koordinationsgruppe von Amnesty Deutschland
Moderation: Dr. phil. Uwe Beyer
Eintritt frei