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Lesung mit Bahman Nirumand

Im Rahmen des Weltfestes 2016

WEIT ENTFERNT VON DEM ORT, AN DEM ICH SEIN MÜSSTE
in Kooperation mit Katholische Hochschulgemeinde Aachen & Evangelisches Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen

Aus BAHMAN NIRUMANDs Autobiografie lässt sich nicht nur einiges über das Leben in zwei Kulturen lernen, sie spiegelt auch erhellend, wie sich in der Auseinandersetzung mit deutscher und iranischer Politik und Gesellschaft Ideale und Überzeugungen ändern. Nirumand kam als Schüler nach Deutschland, engagierte sich gegen den Schah, begeisterte sich für die 68er und die iranische Revolution, um sich rückblickend wieder zu distanzieren.

Quelle: Angela Schader – Neue Zürcher Zeitung
FOTO © Hans Weingartz – CC BY-SA 2.0 Wikimedia Commons

nirumand-buch„Der Anteil der in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer an der ökonomischen Entwicklung der Bundesrepublik und ihr Stellenwert in der Gegenwart als Produzenten, Dienstleistende und Beschaffer von Arbeitsplätzen ist vermutlich vielen bekannt, nicht aber ihr Anteil an der politischen Entwicklung. Ich möchte behaupten, dass die politische Entwicklung Deutschland zu einer demokratischen, modernen Gesellschaft ohne die aktive Teilnahme von Ausländern in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Man wird sich sicherlich noch daran erinnern, wie groß das politische Engagement der Nichtdeutschen in jener Zeit gewesen ist, in der die Bundesrepublik die Wende von dem kleinkarierten, provinziellen Deutschtum aus dem 19. in die Moderne des 20. Jahrhunderts vollzog, von der nationalen Orientierung in die Weltoffenheit, von einer Autorität-hierarchisch strukturierten in eine demokratische Gesellschaft. Meine politische Biographie ist ein Beispiel dafür, dass wir Deutschlands Geschichte der letzten Jahrzehnte gemeinsam geschrieben haben.

Auch wir haben an dem Einsatz für Menschenrechte im Innern des Landes, dem Kampf gegen Rassismus und ethnische Überheblichkeit, ja sogar an den Auseinandersetzungen mit der deutschen Geschichte unseren Anteil. Niemand wird leugnen können, dass Ausländer zur Sensibilisierung der Deutschen im Umgang mit ihrer Geschichte, mit demokratischen Prinzipien und Menschenrechten einen wichtigen Beitrag geleistet haben. Viele Ausländer haben den Kampf der Gewerkschaften um die Durchsetzung der Mitbestimmung mitgetragen. Sie saßen nicht in den obersten Etagen, haben aber an der Basis entscheidend mitgewirkt. Das sollten sich all jene, wie Sarrazin und Konsorten, die vom „Durchrassen“ der deutschen Gesellschaft sprechen und eine „deutsche Leitkultur“ fordern, hinter die Ohren schreiben. Wir gehören nicht zusammen und sind nicht zu einer Einheit zusammengewachsen, aber wir haben uns aneinander angepasst. Daraus ist eine bunte Vielfalt entstanden, die ich für weitaus interessanter halte als das langweilige Einerlei einer monokulturellen Gesellschaft.

Es ist die Vielfalt, die unseren Horizont erweitert, uns aus dem Trott des Alltags herausführt, unsre Phantasie beflügelt und das Leben erst lebenswert macht. Ich hatte das Glück, die Vielfalt nicht nur einer, sondern zweier Gesellschaften, der deutschen und der iranischen, intensiv zu erleben.“

Bahman Nirumand

Datum

18. Juni 2016
Abgelaufen!

Uhrzeit

18:00 - 20:00

Standort

RWTH Hörsaal 05 C.A.R.L